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Flüchtlingsforschung – ein neuer Blog und ein ethisch bedeutsames Thema

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Flucht, Vertreibung und durch wirtschaftliche Not erzwungene Migration gibt es vermutlich schon mindestens so lange wie die Menschheit. Dass Menschen sich gezwungen sehen, ihre bisherige Heimat zu verlassen und nach neuen Orten zu suchen, kann viele Gründe haben – und wirft noch mehr Fragen auf. Angesichts der jüngsten Tragödien im Mittelmeer wird wieder einmal deutlich, wie vielschichtig “die Flüchtlingsproblematik” ist und wie schwierig sich der Umgang damit gestaltet: Politiker wollen unter dem Druck der öffentlichen Meinung die Ursachen bekämpfen und Flüchtlingsströme regulieren – doch die Ursachen sind so vielfältig wie die Entwicklungszusammenarbeit mühsam ist. Hilfsorganisationen und die italienische Marine möchten so viele Menschenleben wie möglich retten – doch je mehr es ihnen gelingt, desto mehr Menschen wagen die gefährliche Überfahrt. Schleuser profitieren von millionenfacher Not und Verzweiflung einerseits und strikten Einwanderungsregeln andererseits. Die europäischen Bürger schwanken zwischen Hilfsbereitschaft, Ratlosigkeit und undifferenzierter Fremdenfeindlichkeit. Und die tatsächlich irgendwo angekommenen Flüchtlinge sehen sich mit ungeahnten Schwierigkeiten konfrontiert …

Die zahlreichen unterschiedlichen Aspekte und Detailprobleme haben inzwischen eine Vielzahl wissenschaftlicher Herangehensweisen in verschiedenen Disziplinen inspiriert, die lose unter dem Schlagwort Flüchtlingsforschung zusammengefasst werden:

“Die Flüchtlingsforschung – oder konkreter die Zwangsmigrations- und Flüchtlingsforschung – konzentriert sich auf die wissenschaftliche Untersuchung u.a. rechtlicher, politischer, sozialer, geographischer und kultureller Aspekten der Zwangsmigration. So erklärt sich, dass die Flüchtlingsforschung multi- und interdisziplinär ist und u.a. die Soziologie, Politik-, Geschichts- oder Rechtswissenschaft, Ethnologie, Wirtschaftswissenschaften, Geographie, Kultur- und technische Wissenschaften oder medizinische Wissenschaftsfelder umfasst.” (Ulrike Krause)

Seit anderthalb Jahren existiert in Deutschland das Netzwerk Flüchtlingsforschung, dessen im Februar 2015 neu gestartetem FlüchtlingsforschungsBlog auch das obige Zitat entnommen ist. Netzwerk und Blog versammeln Beiträge aus Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Rechtswissenschaft, Friedens- und Konfliktforschung, Psychologie, Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften. Eine beeindruckende Bandbreite, in der aus sozialethischer Sicht das scheinbare Fehlen jeglicher ethischen Reflexion auffällt – scheinbar deswegen, weil viele Wortmeldungen und Publikationen aus verschiedenen Disziplinen ethische Fragen zumindest anreißen. Als Beispiel seien die einleitenden Worte eines Kommentars zum EU-Flüchtlingsgipfel zitiert:

“Die Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels entsprechen nicht den menschen- und flüchtlingsrechtlichen Verpflichtungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten. Diese entspringen einer Situation, in der die Europäer selbst Verfolgung ausgesetzt waren. Sie daran heute zu erinnern, ist Aufgabe einer wachen Wissenschaft und Zivilgesellschaft.” (Petra Bendel)

Dass zu einer wachen Wissenschaft und Zivilgesellschaft auch eine wache und interdisziplinär arbeitende Sozialethik gehört, sollte sich eigentlich von selbst verstehen … Im Rahmen des Forum Sozialethik beschäftigt sich derzeit die auf der Forumstagung 2014 ins Leben gerufene AG Friedensethik mit dem Thema Flüchtlinge und Flüchtlingsarbeit – und freut sich jederzeit über Diskussionsanstöße, Informationen und Interessierte, die vielleicht selbst schon an ethisch relevanten Aspekten der Flüchtlingsforschung arbeiten (gerne die Kommentarfunktion auf dieser Seite nutzen)!


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